Tags

, , ,

Worum geht es beim „Internet der Dinge“?

Mehr Integration in den Alltag ist das Ziel. Die Dinge – vor allem Produkte – sollen mit uns und miteinander kommunizieren. Zuallererst werden hier die technischen Grundlagen gelegt, um Dinge überhaupt digital erkennen und auf sie reagieren zu können. RFID-Chips, Barcodes etc werden an immer mehr Gegenstände angebracht. So können sie identifiziert und Zusatzinfos abgerufen werden – zumindest von Systemen, die diese IDs lesen können und Zugriff auf die Informationen haben.

IoT

Das Internet der Dinge – ziemlich allumfassend… (Quelle: Internet of Things, Strategic Research Roadmap des CERP, Sep 2009)

In der Industrie  – speziell in der Logistik – wird diese Technologie bereits genutzt. Langfristig gesehen ist das nur die Grundlage – die Dinge sollen auch miteinander interagieren können. Die Beispiele, die man heute dafür findet sind noch recht platt: Kühlschränke bestellen Milch nach; greift ein Kunde nach einem Wein im Regal wird auf einem Bildschirm der passende Käse angezeigt.

Hier handelt es sich immer um zusätzliche Systeme, die ein Ding identifizieren und Infos dazu liefern oder Services bedienen. Das ist schon mal ganz nett, aber richtig Sinn macht das Ganze erst dann, wenn in Zukunft die Dinge selbstständig interagieren, wie dies beispielsweise in der Car2Car oder Car2X Kommunikation bereits getestet wird.

In the IoT, “things” are expected to become active participants in business, information and social processes where they are enabled to interact and communicate among themselves and with the environment by exchanging data and information “sensed” about the environment, while reacting autonomously to the “real/physical world” events and influencing it by running processes that trigger actions and create services with or without direct human intervention.http://www.grifs-project.eu/data/File/CERP-IoT%20SRA_IoT_v11.pdf

Dann wird das Ganze aber ungleich komplizierter. Denn wann welche Dinge miteinander reden und wie sie auf bestimmte Botschaften reagieren, lässt sich nur begrenzt vorhersagen. Hier tauchen weitere Fragen auf, die in angrenzenden Technologien wie Pervasive Computing bereits Kopfzerbrechen bereiten (zu unterscheiden von Persuasive Computing – aber das kann einem auch Kopfschmerzen bereiten…): Fragen der Sicherheit und speziell der Datensicherheit einerseits, aber auch rechtliche Probleme der Verantwortlichkeit bei Fehlern in diesen Systemen – wer ist verantwortlich wenn ein Auto im Autopilot ein Kind anfährt? Das ist sicher unter anderem ein Grund dafür, dass heute noch keine Autopiloten auf der Strasse unterwegs sind.

Weiterhin frage ich mich:

  • Unterstützen bedeutet Eindringen – Wie tief lassen wir die Systeme in unseren Alltag eindringen?
  • Unterstützen bedeutet Delegieren – Delegieren verlangt nach Vertrauen – haben wir Vertrauen in die Programme?

  • Lasst mich in Ruhe – Überfordern uns die neuen Möglichkeiten?
  • Wer redet da eigentlich mit mir? – Das „Internet der ausgewählten Dinge“

Unterstützen bedeutet Eindringen

Das Internet der Dinge hat den Anspruch uns im Alltag zu unterstützen. Unterstützung bedeutet immer ein Eindringen in den bisher alleine bewältigten Abläufe.

Vier Stufen des Eindringens:

  1. Dinge können mittels (RF)ID’s digital erkannt werden. Mittels dessen können wir aktiv Pakete nachverfolgen oder mehr Infos zu einem Produkt abrufen.
  2. Nach einfachen Regeln agierende Programme, wie im Kühlschrank, können auf Schwellwerte reagieren und nachbestellen. Diese Schwellwerte und Regeln haben wir bewusst festgelegt. (Dienstprogrammen, Agenten, Bots)
  3. Assistenten-Programme geben uns mittels Umgebungs-Erkennung und Kommunikation mit selbiger (auch ungefragt) Hinweise und Empfehlungen (Google Now geht in die Richtung )
  4. Wir geben die Steuerung komplexerer Abläufe ganz an Autopiloten ab. Diese interagieren miteinander. Das muss nicht nur das Auto betreffen. Es gibt diese Autopiloten auch bereits heute für die komplexen An- und Verkäufe an der Börse.

Bis zur 2. Stufe bewegen wir uns noch in einer Umgebung, die wir ohne weiteres handhaben können. Es gibt Fragen des Datenschutzes und vielleicht Diskussionen bei ungewollten automatischen Einkäufe, wenn wir die Regeln selbst nicht ganz begriffen haben.

Aber ab Stufe 3 entscheiden prinzipiell andere, was wir zu sehen und hören bekommen. Sicherlich sind die Übergänge fließend. Aber sobald mir ein Programm ungefragt Empfehlungen oder Entscheidungen abnimmt, dessen Zustandekommen ich nicht mehr nachvollziehen kann, wird es problematisch.

Das klassische Beispiel aus der Werbung: Dass ich ein Problem mit Schuppen haben, wurde mir erst bewusst, nachdem ich Schuppen-Shampoo-Werbung gesehen habe.

Und die Autopiloten, die Banken an der Börse einsetzen sind etwas anderes, als ein Software-Agent, der bei einer eBay-Versteigerung bietet. Die Versteigerung ist irgendwann vorbei, die Schwellenwerte sind überschaubar. An der Börse hingegen gibt es Wechselwirkungen zwischen den Autopiloten, die – allein schon wegen der Geschwindigkeit mit der sie durchgeführt werden – kaum nachvollzogen werden können.

Unterstützen bedeutet Delegieren – Delegieren bedeutet Vertrauen

Das Problem ist prinzipiell kein neues: Aufgaben, die ich selber machen könnte, delegiere ich an Agenten, die dazu besser in der Lage sind. Das war schon immer so – ich delegiere die Führung einer Firma an einen Chef, damit ich mich auf die Softwareentwicklung konzentrieren kann. (Manchmal ist es auch umgekehrt :-) Das Steuern des Flugzeugs überlasse ich dem Piloten, das Steuern des Staates delegiere ich an Politiker usw. Ich treffe nicht alle Entscheidungen selber – selbst wenn ich es theoretisch könnte, sondern gebe sie an Personen ab, denen ich vertraue.

Auch Menschen können sich irren und Fehler machen oder sogar böswillig sein, wobei das glücklicherweise kein hoher Prozentsatz ist. Es gibt jedoch zwei grundlegende Unterschiede zur Delegation an Maschinen, die unser Vertrauen in diese reduzieren, wie ich denke:

  1. Lern- und Anpassungsfähigkeit
  2. Nachvollziehbarkeit und Vertrauen

Diese beiden Punkte sind beim Menschen gegeben. Sie fußen auf der Fähigkeit Ziele zu haben und diese artikulieren zu können.1  Ohne Ziele können wir kein Vertrauen in komplexe Programme entwickeln. (Den Exkurs zu den beiden Punkten und ihren Zusammenhang mit Zielen, habe ich in den vorherigen Artikel ausgelagert.) „Doch“, höre ich da. „Programme dienen einem bestimmten Zweck, also haben Sie doch auch ein Ziel?“

Das stimmt – sie wurden in Hinblick auf eine bestimmte Aufgabenerfüllung entwickelt. Dieses Ziel wurde aber in der Vergangenheit festgelegt und in sie hineinprogrammiert. Um selbst ein Ziel haben zu können, muss man ein Ziel von einem anderen unterscheiden können. Programme können Werte von Variablen unterscheiden, die für das einprogrammierte Ziel wichtig sind – aber keine Ziele. Das Programm ist nur ein Werkzeug, das einem Ziel dient.

Verfolgt ein Autopilot stur die Einhaltung bestimmter Schwellenwerte, dann ist das seinem Überleben in unvorhergesehenen Situationen nicht gerade förderlich.2 Menschen haben sich die letzten 100.000 Jahre als vergleichsweise anpassungsfähig erwiesen. Evolutionär gesehen ist das noch nix – aber ob die heutigen Autopiloten und Börsenprogramme es soweit schaffen werden, wage ich zu bezweifeln :-)

Menschen auf der Evolutions-Uhr

Die Evolutions-Uhr – wie lange es wohl Börsenprogramme darauf machen?

Lasst mich in Ruhe!

Heute schon kennen wir die Augmented Reality, bei denen wir die Welt durch eine weitere Schicht betrachten können. Wir schwenken das Smartphone im Kameramodus hin und her und sehen Zusatzinfos zu allen Dingen um uns herum. Andere Apps sprechen uns Empfehlungen aufgrund unseres Standorts, der Tageszeit und unserer Gewohnheiten aus (bekanntestes Beispiel: Google Now)

Je mehr Dinge mit uns „reden“, desto mehr solcher Infos strömen auf uns ein -gewollt oder ungewollt. Das ist gut und schlecht zu gleich (wie alles :-) Zum einen eröffnen sie uns Zugang zu Informationen, die wir sonst vielleicht nicht gehabt hätten. Wir werden auf zusätzliche Handlungsmöglichkeiten hingewiesen. Das ist toll!

Einige befürchten eine „Digitale Demenz„, wenn wir nach Informationen nicht mehr selber forschen sondern nur googeln, uns selbst nicht mehr orientieren sondern nur dem Navi folgen, nicht mehr rausgehen, sondern nur Computerspielen. Niemand hat mehr die Zeit zum Nachdenken und verliert den Augenblick – jeder guckt nur noch auf seine Geräte.

Zudem stellt sich die Frage der Auswahl: mehr Informationen bedeutet nicht unbedingt eine Unterstützung, sondern können auch überfordern. Welche Infos sind denn jetzt wichtig? Ständig muss ich auswählen. Dagegen sollen dann wieder Auswahl-Algorithmen helfen. Meist basierend auf statistischen Daten von Menschen die ähnlich gehandelt haben – wie die Kaufempfehlungen bei Amazon. Hier fürchten Kritiker die Entmündigung (auch Vertrauen spielt hier wieder eine Rolle). 

Zusammengefasst: Dem Vorteil des schnellen Zugangs zu hilfreichen Informationen, von denen ich ohne die Geräte nie erfahren hätte, steht gegenüber:

  • Überforderung durch ständige Auswahl
  • Digitale Demenz – als Folge von exzessiven Gebrauch
  • Freies Denken wird eingeschränkt
  • Aufmerksamkeit für die „echte Welt“ geht verloren
  • Verlangen wird suggeriert
  • Entmündigung

Wie immer, wenn das eigene Weltbild angegriffen wird, gibt es nun vier Wege der Reaktion (abgesehen von Aufgeben…):

  1. Verdrängen und Ignorieren
  2. Bewusst Vermeiden
  3. Integrieren, Anpassen, Mitwirken
  4. Revolution!

Auf lange Sicht sehe ich nur Möglichkeit 3, denn ignorieren und zurückdrehen lässt sich die Entwicklung auf Dauer nicht – die Vorteile sind zu groß. Das bedeutet, wir müssen Wege finden, mit den berechtigten Kritikpunkten umzugehen.

Die Entwicklung fordert, dass der Mensch, um mit den smarten Gegenständen und Services Schritt halten zu können, selbst zu einem smarten Bestandteil im Technologiegefüge wird. Er muss wissen, wie er sich im digitalen Zeitalter verständigen kann, welche Prozesse ihn umgeben und welche Chancen die Technik für die eigene Lebensplanung und -gestaltung mit sich bringt. Er kann die Informatisierung entweder versuchen zu ignorieren, sich von ihr erschlagen lassen oder sie in seinem Interesse nutzen.http://davidstreit.de/medienboard-masterthesis/

Allen Kritikpunkten kann man mit einem bewussten Umgang entgegen steuern. Das Problem, das sich heute stellt, ist, dass ich – im Gegensatz zu früher – die Entscheidung treffen muss, wann ich mich von den Geräten leiten lasse und wann nicht. Welche Infos ich nicht verpassen möchte, welche ich verpassen darf und welche ich immer verpasse. Wir brauchen bessere Bewältigungsstrategien. Wir müssen eine Digitale Potenz aufbauen. Und ich bin sicher das es bald Apps gibt, die uns dabei unterstützen :-)

Wer redet da mit mir?

Mir ist es auch schon öfter passiert, dass ich irgendwo allein gewartet habe und die Zeit „nutzte“, schnell zu gucken was es Neues gibt im Internet. Und dann fiel mir auf: Moment mal: Sonnenaufgang am Frühlingsmorgen, spannende Menschen stehen um dich herum. Die „echte Welt“ kann faszinierend sein!

Digitale (Zusatz-) Informationen haben einen gravierenden Unterschied zur „echten“ oder physischen Welt. In der physischen Welt muss ich auf eine bestimmte Art und Weise präsent sein. Auch hier wähle ich aus, wie ich mich präsentiere: Ich wähle meine Kleidung, mein Haus, mein Auto, meinen Yacht. Das Physische präsentiert sich, aber nicht unbedingt um etwas zu bewirken, sondern weil es einfach irgendwo sein muss. Und wenn es schon präsent sein muss, dann versucht man gleich eine bestimmte Wahrnehmung zu vermitteln.

Im Internet ist das (noch) nicht so. Ich MUSS nicht präsent sein.3 Das bedeutet allerdings, dass – viel mehr noch als in der physischen Welt – hinter jeder Präsenz eine Auswahl steckt, ein Motiv. Jemand möchte mich zu dieser oder jener Wahrnehmung oder einem Verhalten anleiten.4 Das gilt auch für das „Internet der Dinge“: Die Dinge die sich präsentieren sind ausgewählt. Die Informationen, die sie senden oder die über sie erfahrbar sind, sind ebenfalls ausgewählt.

Glücklicherweise haben hat kein Sender ein Informationsmonopol und alles was berichtet wird, kann im Internet von mehreren Seiten beleuchtet, diskutiert und geshitstormt werden.
Es schadet aber nicht, sich bewusst zu sein, dass ein „Internet der Dinge“ ein „Internet der ausgewählten Dinge“ sein muss.

Fazit

Im Prinzip ändert sich die Dinge vor allem quantitativ. Menschen, die sich schon vorher mit dem Internet überfordert fühlten, werden das auch weiterhin tun. Die Digital Natives müssen Ihre Aufmerksamkeit noch ein bisschen weiter aufteilen. Wir müssen uns noch öfter entscheiden, wann wir uns vom Strom der ungefragten Nachrichten beeinflussen lassen oder ihn abstellen und welche (fremdbestimmten!) Infos wir auf uns wirken lassen. Auch eine große Frage des Vertrauens.

Jetzt schon geben wir aus Bequemlichkeit viele Daten über uns preis. Je mehr wir Entscheidungen an „intelligente“ Dinge delegieren, desto durchschaubarer werden wir, und desto undurchschaubarer werden die Prozesse. Vermutlich ist aber – wie beim Handy – der Drang mitzumachen irgendwann groß.: „Mein intelligentes Ding will sich mit deinem unterhalten – wie du hast keins???“ Dann braucht es nicht nur Bewältigungsstrategien für uns, sondern auch Vertrauensstrategien für unsere Daten (und Dinge).

Ich glaube nicht, dass der aktuell recht sorglose Umgang mit unseren Daten (und bald auch Dingen) so Bestand haben wird. Wie bei allen Großtechnologien Chemie, Kernkraft, Raumfahrt oder Großorganisationen wie dem Finanzmarkt muss es erst zur „Normalen Katastrophe“ kommen, bevor sich etwas ändert. Ein paar Snowden-Zwischenfälle wird es wohl noch brauchen. Und ehrlich gesagt war das ja nicht mal ein echter Zwischenfall. Er hat auf Misstände hingewiesen, die zu Katastrophen führen können.

Was für Katastrophen könnte das sein? Staaten oder Unternehmen die auf Basis geklauter Daten aus Eigennutz riesige Schäden verursachen? Ein Ereignis, bei dem jeder einzelne um seine Sicherheit fürchten muss? Etwas, das das Vertrauen der Menschen in das Internet massiv stört, was – ähnlich wie bei einer Finanzmarkt-Krise – zu einem Erliegen der Tätigkeiten führt? Schwer zu sagen, aber sobald auch die Dinge über das Internet kommunizieren, und wir diesen Dingen weitreichende Entscheidungsbefugnisse geben, wird die Gefahr von Katastrophen nicht kleiner.

Aktuell wissen wir kaum, wem wir welche Daten anvertrauen. Ich denke dass wird sich ändern müssen. Wem vertraue ich was an, wer vertraut mir etwas an. Das kann nicht nur die Technik lösen, aber sie kann uns dabei unterstützen.

  1. Mithin eine Definition für Intelligenz – Stephen Pinker 1997: „Wie das denken im Kopf ensteht/How the mind works“ []
  2. Natürlich kann man wiederum Schwellenwerte einbringen, die zu eine Notabschaltung führen, aber hoffentlich vergisst man dabei keine:-) []
  3. Auch wenn mich gewisse sozialen Zwänge immer mehr dahin treiben. Vielleicht MUSS jeder irgendwann ein Profil haben. Fakt ist jedenfalls: Wenn ich auf Facebook mitmachen möchte, muss ich mich irgendwie präsentieren! []
  4. Interessanterweise ist das Internet dadurch viel „ehrlicher“, als die physische Welt – im Internet weiß ich von vornherein, dass jemand möchte, dass diese Information wahrgenommen wird. In der physischen Welt kann es auch nur Zufall sein, dass ich einem Ding begegne – einfach weil es präsent sein muss. Dadurch ist es in der physischen Welt einfacher, den Zufall vorzutäuschen. Sobald ich mich im Internet zeige und präsent bin – bspw auf Facebook und in Chaträumen, öffne ich dem Zufall auch im Internet wieder mehr Türen. Trotzdem kommt mir jeder Kontaktversuch von Fremden erstmal verdächtig vor… []