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Was zu Beweisen war: Rauchen ist die Ursache für schnelles Altern! Mal abgesehen davon, ob man so eine Studie braucht. Darf man an den Ergebnissen zweifeln? Oder oute ich mich damit als Ketzer des gesunden Menschenverstands? Es weiß doch jeder, dass Rauchen schädlich ist!

Rauchervergleich / Zwillingsstudie

Der rechte Bruder rauchte 14 Jahre länger, Quelle: Plastic & Reconstructive Surgery, Volume 132, Nov 2013

Der Artikel ist ein Klasse-Beispiel für die vorschnelle Interpretationen von statistischen Studien:

  • Die Leute rauchen und sehen älter aus als Ihre Geschwister.
  • Rauchen ist schlecht – das wissen wir alle.
  • Also ist Rauchen auch die Ursache für das Alt-Aussehen.

Ist das so?

Ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass Rauchen der Gesundheit förderlich ist. Alle Stoffe, die im Körper länger hängen bleiben –  bspw. in der Lunge, sind bestenfalls hinderlich für biologische Abläufe. Um zu wissen, dass Sand im Getriebe nicht gut ist, braucht man keine Studie.

Aber gerade deshalb berichten die Medien gerne darüber:

  • Sie entspricht dem kollektiven Wissen: Rauchen ist schädlich.
  • Sie hat Bilder, die sich immer gut machen im Internet.
  • Zwillingsstudien kommen immer gut an. Es fasziniert uns zu sehen, wie zwei „identische“ Menschen dennoch unterschiedlich sein können: Wie wohl mein Zwilling aussehe? Mein „zweites Leben“?

Allerdings ist die Tatsache, dass zwei Ereignisse oder Merkmale korrelieren – Rauchen und Alt-Aussehen – kein Grund das eine Merkmal als Ursache des Anderen zu sehen. Für das gleichzeitige Auftreten von Merkmalen gibt es mehrere Möglichkeiten:

  1. A ist die Ursache von B.
  2. B ist die Ursache von A.
  3. A und B haben eine gemeinsame Ursache.
  4. Die Korrelation ist Zufall.
  5. Die Korrelation wurde aufgrund eines systematischen Fehlers erschlossen.

Gehen wir in diesem konkreten Beispiel mal davon aus, dass die Studienbetreiber genügend Daten gesammelt haben um den Zufall auszuschließen (reichen 79 Paare?) und auch keinen systematischen Fehler gemacht haben, wie z.B. unterschiedliche Lichtverhältnisse bei den Fotos, die den Auswertern gezeigt werden. (Apropos Fehler: Die Frage nach dem Auftraggeber der Studie ist nicht uninteressant – ob es wohl im Interesse der Schönheitschirurgie liegt, dass die Raucher überlegen sich mal Liften zu lassen?)

Selbst wenn man Zufall und Fehler ausschließt, kann Alt-Aussehen und Rauchen durchaus auch eine gemeinsame Ursache haben. Unterschiedliche genetische Ursachen wurden durch die Zwillings-Studie bestmöglichst ausgeschlossen. Auf Seiten der Umwelt-Einflüsse kann das immer nur unvollkommen gelingen. Die Betreiber haben versucht durch Fragebogen zu Stress bei der Arbeit, Nutzung von Sonnencreme und Alkohol-Konsum die Umwelteinflüsse weitgehende auszuschließen. Aber in wiefern hier Schicksalsschläge und anderweitiger Stress (bspw. finanziell), Aufenthaltsdauer im Freien, Anzahl der Kinder, Charakter der Partner, usw. Einfluss auf das Aussehen und das Rauchverhalten haben könnten, ist nicht zu sehen.

Schlussfolgerungen aus Statistiken sollten immer hinterfragt werden. Egal ob Rauchen nun schädlich ist oder nicht: Die Studie ist kein Beweis dafür, dass Rauchen das Aussehen altern lässt. Sie zeigt bestenfalls, dass die beiden Merkmale zusammen auftreten.1

Manche machen’s richtig

Sehr selten wird in Artikeln zu Studien darauf hingewiesen, dass zwei Merkmale einfach eine gemeinsame Ursache haben können. Ein positives Beispiel ist diese dpa-Meldung: „Eheleute haben weniger Herzinfarkte“ – zumindest inhaltlich. Der reißerische Titel lässt anderes vermuten. Immerhin heißt es in diesem Artikel: „Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Menschen mit schlechter Gesundheit mehr dazu neigen, allein zu bleiben oder geschieden zu werden“.

Puh, Glück gehabt – ich muss doch nicht heiraten um weniger Herzinfarkte zu bekommen.

Wer sich für mehr solche und andere statistische Absurditäten interessiert, dem sei zudem das Buch „Der Hund, der Eier legt“ empfohlen.  

Ein paar Beispiele aus dem Buch (oft auch auf Basis tatsächlicher Studien):

1. Patienten die lange im Krankenhaus bleiben sind danach kränker!

  • Schlussfolgerung: Immer nur kurze Zeit im Krankenhaus bleiben!
  • …oder ist es eben umgekehrt (B verursacht A):  Menschen mit schweren Erkrankungen brauchen eine längere Behandlung und sind auch nach dem Krankenhausaufenthalt meistens noch nicht ganz gesund.

2. Die Anzahl der Nutzfische im See ist von 10% auf 90% gestiegen!

  • Schlussfolgerung: Juhu! Mehr Nutzfische!
  • …oder sind vielleicht einfach nur insgesamt viel weniger Fische im See?

3. Seit 1950 sterben viel mehr Frauen an Brustkrebs!

  • Schlussfolgerung: Es gibt viel mehr Brustkrebs verursachende Substanzen!
  • …oder… darf man nicht vergessen, dass seit 1950 die Lebenserwartung gestiegen ist und es einfach altersbedingt zu mehr Krebsfällen kommt? In der Studie hat sich am Brustkrebsrisiko für Frauen unter 50 übrigens nichts geändert…

und um nochmal zu den Rauchern zurückzukommen: 

4. Raucher leben länger – oder auch nicht

Die Zahlen einer Statistik können von ganz alleine trügerisch wirken, wenn man nicht aufpasst, ob man Äpfel mit Birnen vergleicht:

In einer Studie wurden 80 Raucher und 140 Nichtraucher untersucht. Nach 20 Jahren lebten noch 47% der Raucher und nur noch 40% der Nichtraucher. Erstaunlich, oder?

Das Geheimnis dieser Ergebnisse ist, dass man von vornherein viel weniger alte Raucher dabei hatte. Fast 2 Drittel der Raucher waren unter 64 und über zwei Drittel der Nichtraucher waren über 64. Dass von den Älteren – ob Nichtraucher oder nicht – nach 20 Jahren viele gestorben waren, überrascht dann nicht mehr so sehr.

Trennt man die Gruppen in die 2 Altersklassen, dann waren die Nichtraucher in beiden Fällen im Vorteil: Bei den Jüngeren waren 11% mehr Nichtraucher als Raucher noch unter den Lebenden, bei den über 64jährigen waren es erstaunlicherweise nur 2% mehr.2

Aber auch hier gilt: Wir haben eine Korrelation von Früher-Sterben und Rauchen entdeckt – Ursache und Wirkung wurde damit nicht bewiesen! Es gibt statistische Regeln und Beweise – aber mit einer Statistik lässt sich grundsätzlich nichts beweisen.

PS: Seit der Entdeckung des Tabaks ist die Lebenserwartung drastisch gestiegen!

  1. bzw. „auftreten können“ – ob das Ganze statistisch signifikant ist sollen bitte andere ausrechnen, da fehlt mir die Übung :-) []
  2. Das man die Prozente nicht einfach addieren kann, nennt man übrigens das Simpson-Paradox []