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Letztens auf unserer Urlaubsreise fiel es mir auf. Ich fahre nicht so oft Auto, deshalb war ich kurz verwirrt und amüsiert.  Ich bog blinkend auf einen Parkplatz ein. Der Blinker war noch an, als ich die Türe öffnete. Sofort kam das warnende Geräusch, dass der Schlüssel noch steckte. Und da war es: Oder vielmehr da war es nicht mehr! Obwohl der Blinker noch fröhlich blinkte war das wohlbekannte Klick-Klack nicht mehr zu hören – nur noch das „Schlüssel steckt“ Warnsignal. Faszinierend. Das Blinkgeräusch war nicht „echt“! Aber was heißt echt?

Werden wir betrogen oder verwenden wir gewohnte Symbole?

Die Erwartungen des Autofahrers, der noch das Klick-Klack der mechanischen Relais kannte, werden erfüllt. Es ist schon interessant, dass auch Menschen, die nie in einem Auto mit Blinker-Relais saßen, die gleichen Geräusche zu hören bekommen. Aber gut, das sind eben Symbole. So wie sich das Disketten-Symbol zum Speichern durchgesetzt hat, obwohl viele Schüler heutzutage teilweise noch nie eine Diskette gesehen haben – vielleicht nicht mal wissen was das ist.

Viel interessanter fand ich allerdings die Tatsache, dass man hier doch auch irgendwie hinters Licht geführt wird. Anders als bei der Diskette, wird einem etwas vorgetäuscht. Der Blinker macht kein Geräusch sondern der Computer. Ist das gut so?

Dinge werden schon immer vorgetäuscht und erlogen. Früher waren es nur erzählte Geschichten später auch Fotos und Radiobeiträge (bspw. die Alien Invasion 1938)  und heute die Internet-Hoax. Daran hat man sich gewöhnt und man hinterfragt sie des Öfteren (wenn vielleicht auch nicht oft genug..) Aber das sind immer Dinge über Dinge. Es sind Geschichten oder Abbildungen, die nie beanspruchen die Dinge selbst zu sein. Tun sie das, kann das meiner Meinung nach kritisch sein.

Das Problem das ich sehe ist, dass die Dinge keine Rückschlüsse erlauben. Fällt beispielsweise das Blinkergeräusch aus, erlaubt das nicht mehr den Schluss, dass der Blinker wirklich außer Betrieb ist. Vielleicht ist nur der Lautsprecher kaputt. Oder die Software hat einen Fehler, oder die Festplatte hat einen Sprung. Der direkte Bezug zum „Ding“ geht verloren, wenn man Eigenschaften vortäuscht.

Nehmen wir beispielsweise das Motorgeräusch bei einem realen und bei einem virtuellen Motor. Das Geräusch kann einem geübten Mechaniker viel darüber verraten, ob und wo etwas nicht stimmt. Bei einem virtuellen Motor, der einen Fehler simuliert müsste man selbst die Fehler-Geräusche einprogrammieren. Der Aufbau einer virtuellen Welt wie im Film Matrix würde also denkbar komplex werden. Selbst wenn man jedes virtuelle Ding hyperkomplex designen würde, würden dennoch an irgendeiner Stelle verwirrende Phänomene auftauchen die man übersehen hat – wie die des fehlenden Blinkgeräusches.

Körperlichkeit und wo verwende ich Reales und wo Virtuelles?

Aktuell lese ich ein Buch über die erweiterten Mensch-Computer-Interaktion – relevant gerade in Hinsicht auf die immer interaktiver zu bedienenden Computer wie bspw. durch Multitouch-Bildschirme, Handgestensteuerung …

oder projizierte Benutzeroberflächen…

Bernd Robben vertritt in dem Buch die These, dass die Körperlichkeit eine immer wichtigere Rolle in der Interaktion mit dem Computer spielt und es nicht nur ein logisches Verständnis zu dessen Bedienung erfordert. Das denke ich auch und das ist wahrscheinlich auch eine recht automatisch Entwicklung mit den immer intuitiver zu bedienenden Oberflächen. Da hörte ich zuletzt von kleinen Kindern, die die Wisch-Gesten so sehr verinnerlicht haben, dass sie versuchen, vor dem Fernseher stehend, das Programm per Wisch zu wechseln. Die Benutzerschnittstellen werden be-greifbarer.

Das deutsche Wort „begreifen“ passt hier sehr schön und ist auch das Hauptthema des Buches, denn das Be-greifen und Anwenden ist letztlich nicht aus dem Verstehen wegzudenken. 

Untersucht wird in dem Buch beispielsweise von J.H. Israel et al. welche funktionalen Vorteile physische Interaktions-Objekte und welche Vorteile virtuelle  Objekte haben. Bei virtuellen Objekte lassen sich bspw. ihre Eigenschaften wie Größe, Form und Farbe oft und schnell ändern, was bei physischen Objekten so einfach nicht geht. Andererseits sind physische Objekte in der Handhabung einfacher verständlich – man muss den Umgang nicht immer neu lernen. „Bei einem realen Schwamm zum Beispiel ist es einfach vorstellbar, wie er auszudrücken ist. Bei einem virtuellen Schwamm auf dem Bildschirm dagegen ist nicht ohne weiteres klar wie diese Interaktion, z.B. mit einer Maus, durchzuführen wäre.“ 

Solche PIDA-DIBA Listen (physical is better at – digital is better at) können sicher helfen für Benutzerschnittstellen festzulegen an welchen Stellen es besser ist körperliche Objekte oder deren digitale Entsprechung einzusetzen und wo es besser ist direkt virtuelle Objekte zu bearbeiten.

Es müssen nicht immer reale physische Objekte sein. Gerade für Touch-Anwendungen kann es auch sein, dass es intuitiver ist, wenn Objekte als physisch dargestellt werden, obwohl sie es gar nicht sind. Das gibt es ja heute schon, wenn man nur an den Papierkorb auf dem Desktop denkt. Und leert man diesen, dann gibt es auch ein „Papier-Zerknüll-Raschel-Geräusch“. Auch hier gibt es ähnliche Blinkerprobleme. Im Netz findet man hierzu irritierte Benutzer, wenn entweder das Geräusch ausbleibt oder das Geräusch erklingt obwohl das Löschen nicht funktioniert hat.

Das sind noch recht kleine Probleme, klar. Was mir das Blinkerproblem aber gezeigt hat ist, dass man aufpassen muss nicht die reale Welt einfach nachzuahmen. Die Mensch-Computer-Schnittstellen müssen auch mit den neuen Interaktionsmöglichkeiten ihre eigene Systematik haben, aber dabei intuitiv be-greifbar sein. Eine Nachahmung von realen Objekten muss immer als Nachahmung erkennbar bleiben, denn sonst funktionieren die „Mechaniker-Rückschlüsse“ auf das System nicht mehr.

Ich vermute, dass sobald Augmented Reality durch Datenbrillen wie Google Glasses immer realere Gestaltungsmöglichkeiten erhält und auch immer mehr Geräte durch Töne um unsere Aufmerksamkeit buhlen, wird das Thema nochmal mehr Beachtung finden.